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Francis Durbridge
und Deutschland

In keinem anderen Land löste Francis Durbridge mit seinen Radio- und Fernsehserien eine derartige Begeisterung und Hysterie aus wie in Deutschland. In Zeitschriften wie Bild und Funk wurde er oft mit Agatha Christie und Edgar Wallace verglichen und die Popularität seiner Mehrteiler war so groß, dass die deutsche Presse ihm einen Spitznamen gab. Er wurde zum „Straßenfeger“, denn wenn eine Francis-Durbridge-Serie im Fernsehen lief, waren die Bahnhöfe, Straßen, Restaurants und Kinosäle wie leergefegt.

Die Einbußen einiger waren so groß, dass einige Unternehmen sogar eine Petition starteten, um seine Fernsehserien verbieten zu lassen. Wolfgang Neuss schaltete vor der letzten HALSTUCH-Folge eine Zeitungsanzeige, in der er den Mörder verriet, um Leute zu seinem neuen Film ins Kino zu locken.

Die Popularität erreichte alle Schichten der deutschen Gesellschaft, sodass am Abend der Ausstrahlung der letzten Folge einer Serie der Deutsche Bundestag eine Debatte vertagte, damit die Abgeordneten nach Hause gehen konnten, um die Episode sehen zu können. Noch heute hält die letzte Folge von TIM FRAZER den Rekord als meistgesehene Fernsehsendung in der deutschen Fernsehgeschichte mit 93 % Einschaltquote. Einzigartig unter den vielen Geschichten über seine Popularität war vielleicht der Pressebericht über eine Familie, die so in eine Folge eines Francis- Durbridge-Krimis vertieft war, dass sie nicht bemerkte, dass ihr Haus brannte. Glücklicherweise wurden sie schließlich von einem Passanten auf die Gefahr aufmerksam gemacht!

Zwischen 1959 und 1977 wurden 11 Mehrteiler von Francis Durbridge für das Fernsehen verfilmt, zwischen 1949 und 2022 ging Paul Temple insgesamt 19 Mal auf Verbrecherjagd. Vor allem der Goldmann-Verlag legte seine Romane auf, die sich wie warme Semmeln verkauften. TV-Zeitschriften druckten Fortsetzungsgeschichten ab und die meisten seiner Theaterstücke liefen auf deutschsprachigen Bühnen in prominenter Besetzung. Viele davon wurden auch für das Fernsehen verfilmt.

Seit 2022 legt Williams & Whiting viele der Werke neu oder erstmals in Buchform auf. Jede Ausgabe enthält ein ausführliches Vor- und Nachwort des Übersetzers Georg Pagitz.

Die deutschen Fernsehmehrteiler:
1959: Der Andere (basierend auf „The Other Man“)
1960: Es ist soweit (basierend auf „A Time of Day“)
1962: Das Halstuch (basierend auf „The Scarf“)
1963: Tim Frazer (basierend auf der ersten Geschichte von „The World of Tim Frazer“)
1964: Tim Frazer – Der Fall Salinger (basierend auf der zweiten Geschichte von „The World of Tim Frazer“)
1965: Die Schlüssel (basierend auf „The Desperate People“)
1966: Melissa (basierend auf „Melissa“)
1967: Ein Mann namens Harry Brent (basierend auf „A Man Called Harry Brent“)
1970: Wie ein Blitz (basierend auf „Bat Out of Hell“)
1971: Das Messer (basierend auf der dritten Geschichte von „The World of Tim Frazer“, mit starken Änderungen im Plot und anderem Täter)
1977: Die Kette (basierend auf „A Game of Murder“)

Werk von Francis Durbridge in Deutschland

Zwischen 1949 und 1988

Zwischen 1949 und 1968 wurden in Deutschland 15 Paul-Temple-Hörspielserien produziert (von denen zwei zweimal produziert wurden). Die erste war „Paul Temple und die Affaire Gregory“. Darin war René Deltgen (1909-1979) als Paul Temple zu hören, eine Rolle, die er in 12 der 15 Paul-Temple-Hörspielserien spielen sollte. Steve wurde von verschiedenen Schauspielerinnen gesprochen, wobei Annemarie Cordes (1918-1998) den Rekord von sechs Auftritten in dieser Rolle hielt.

Die Serien erfreuten sich großer Beliebtheit und werden noch immer regelmäßig im Radio wiederholt und sind heute als beliebte Audio-Downloads und CDs erhältlich.

Im Jahr 2022 wurde mit „Paul Temple und der Fall Valentine“ von Pidax eine neue Serie produziert und erhielt gute Kritiken: „Paul Temple und der Fall Valentine bietet alles, was einen guten Paul Temple ausmacht: Eine breit angelegte Geschichte mit vielen unerwarteten Wendungen, falschen Spuren und vielen spannenden und überzeugenden Charakteren.“ In den Hauptrollen spielten Matthias Kiel als Paul Temple und Katja Keßler als Steve, die diese Rolle auch noch in „Paul Temple und der Fall McRoy“ und „Paul Temple und der Fall Westfield“ spielten. Mit dabei in allen drei von Antonio Fernandes Lopes inszenierten Stücken waren auch Walter von Hauff als Sir Graham Forbes und Klaus Krückemeyer als Charlie.

Durch die Paul-Temple-Hörspielserien arbeitete Francis Durbridge erstmals mit Marianne de Barde (1900-1995) als Übersetzerin seiner Werke zusammen. Die erste Durbridge-Fernsehserie, die in Deutschland produziert wurde, war „Der Andere“ (The Other Man), die 1959 produziert und von Marianne de Barde übersetzt wurde, wie auch die weiteren zehn Fernsehserien, die zwischen 1959 und 1977 in Deutschland produziert wurden.

Zusätzlich zu den in der BRD produzierten Fernsehserien lizenzierte Francis Durbridge auch deutsch synchronisierte Versionen von vier BBC-Serien. Eine Reihe seiner Bühnenstücke wurde auch in Deutschland aufgeführt, aber anders als in den 1980er Jahren ließ Francis Durbridge sechs dieser Stücke auch als Theaterstücke für das deutsche Fernsehen verfilmen.

Die Herausforderung

Eine Herausforderung für jeden, der sich mit dem Werk von Francis Durbridge in Deutschland beschäftigt, besteht darin, herauszufinden, welche Produktion auf welchem Originalwerk basiert.

Da die Gefahr bestand, dass die deutsche Presse die Identität des Bösewichts aus der vorangegangenen britischen Fernsehübertragung enthüllte, wurden Handlung, Charakternamen und gelegentlich sogar der Bösewicht in den deutschen Produktionen geändert. Diese Produktionen unterschieden sich in einigen Fällen erheblich von der Handlung der BBC-Serie, auf der sie beruhten.

Die Popularität seiner Arbeit führte auch dazu, dass mehrere Projekte und Filme als von Francis Durbridge stammend beworben wurden, obwohl dies nicht der Fall war. Als vorsichtiger Mensch vermied Francis Durbridge es, gegen diese Projekte rechtlich vorzugehen, obwohl dies wahrscheinlich erfolgreich gewesen wäre.